Klinker
Klinkerriemchen
FARO
schwarz-nuanciert, glatt

Bedaux de Brouwer: Villa in Kamperland

Photo © Röben/Frank Peterschröder | Luuk Kramer

Am Ufer des Veerse Meer in der niederländischen Küstenprovinz Zeeland hat das Büro Bedaux de Brouwer eine Villa gebaut, die zwei völlig unterschiedliche Gesichter hat: schwarz, backsteinern und geschlossen auf der Straßenseite, gläsern und lichtdurchflutet auf der Wasserseite. Als zeitlos modernistisches Gebäude ist die Villa charakteristisch für die Architektur von Jacq. de Brouwer, der seit mehreren Jahrzehnten an einem für niederländische Verhältnisse ungewöhnlich unspektakulären und minimalistischen OEuvre arbeitet.

In der südniederländischen Provinz Brabant ist in den vergangenen Jahrzehnten eine Architektursprache entstanden, die wenig mit dem zu tun hat, was man im Ausland gemeinhin mit niederländischer Architektur assoziiert. Denn wenngleich das Phänomen SuperDutch das Zeitliche gesegnet und die niederländische Architektur einiges von ihrer legendären Aufmüpfigkeit und Sensationslust eingebüßt hat, so berichten internationale Medien noch immer vorwiegend über niederländische Bauten, die viel Mut zum Konzept mit wenig Aufmerksamkeit für Details verbinden. Von denselben Medien so gut wie unbemerkt, hat sich in Brabant klammheimlich etwas entwickelt, was man als den unspektakulären Zweig der niederländischen Architektur bezeichnen könnte. Mit minimalistischer Formensprache und handwerklich sorgfältiger Ausführung beweisen Bauten von Büros wie Diederendirrix, BO.2 oder JMW Architecten, dass niederländische Architektur mehr als nur SuperDutch sein kann.

Wichtigster Vertreter der Strömung, wenn nicht gar ihr Begründer, ist das Büro Bedaux de Brouwer aus Goirle bei Tilburg. 1938 von Jos. Bedaux (1910 – 1989) gegründet, wird es inzwischen von dessen Sohn Peer und Jacq. de Brouwer geleitet. Während Peer Bedaux eher einem gemäßigten Traditionalismus verpflichtet ist, sind die Bauten von Jacq. de Brouwer durch und durch modern. Charakteristisch für seine Architektur ist eine zurückhaltende Abstraktion und eine Ästhetik der Fläche, häufig in Kombination mit minimalen Fassadenöffnungen, tief gefugtem Backstein und einer auf Schwarz und Weiß reduzierten Farbpalette. Scheinbar unberührt von flüchtigen Trends, strebt de Brouwer, wie er selber sagt, eine „reine Architektur“ an, die er auch gerne als „starke Architektur mit minimalen Mitteln“ bezeichnet.

In diesem Sinne ist die Villa in Kamperland (Zeeland) ein typisches Projekt von Jacq. de Brouwer. Schwarz und still thront sie am Ufer des Veerse Meer, das die Insel Noord-Beveland von der Halbinsel Walcheren trennt. Ursprünglich ein Meeresarm, ist das Veerse Meer – obwohl sein Name im Deutschen das Gegenteil vermuten lässt – ein Binnensee, der seit 1961 im Rahmen des Deltaplans der Veersegatdam gebaut wurde. Um das Ökosystem intakt zu halten, wird mit ausgeklügelter Technik Salzwasser aus der Oosterschelde in das jetzige Binnengewässer geleitet. Jenseits solcher technischer Details ist das Veerse Meer von der Villa aus betrachtet aber vor allem eins: ein schöner Anblick. Zwei unbewohnte Inselchen liegen wie hingetupft in der endlos erscheinenden silbrigen Wasserfläche; dahinter sind in der Ferne die Türme des historischen Städtchens Veere und eine alte Windmühle zu erkennen.

Ziel des Entwurfs der Villa war dementsprechend, eine maximale Aussicht auf diese Wasserlandschaft zu bieten, die einem Gemälde des Goldenen Zeitalters entstammen könnte. Daneben ging es de Brouwer aber auch darum, den Bau in die architektonische Atmosphäre seines Kontexts, eines Villenviertels aus den sechziger Jahren einzupassen. Auch auf diesem Grundstück stand ursprünglich ein Haus aus den Sechzigern, das die Bauherren, nach dem Kauf zunächst bezogen. Da es aber kaum Wasserbezug hatte und auch sonst nicht ihren Anforderungen genügte, beschloss das Ehepaar nach einem halben Jahr, es abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Mit dem Entwurf des neuen Hauses, das ihnen nur als Wochenenddomizil dient, beauftragten sie Jacq. de Brouwer. Sie kannten das Bootshaus, das er für einen Ruderclub in Eindhoven gebaut hatte, und schätzten seinen Umgang mit der Wasserlage.

Indem de Brouwer die Straßenfassade beinahe geschlossen und die Seeseite so offen wie möglich gestaltete, entwarf er ein Haus, das maximale Aussicht mit maximaler Privatsphäre vereint. Die Villa hat zwei Geschosse: ein zur Hälfte in der Uferböschung versenktes Untergeschoss mit Schlafzimmern, Arbeitszimmer, Badezimmern und einem Gästezimmer sowie ein Obergeschoss mit Wohnbereich und Küche, an das sich eine große, über den Garten auskragende, holzgedeckte Terrasse anschließt. Ein sieben Meter hoher und 16 Quadratmeter großer Patio bringt erstaunlich viel Licht in die Räume an der fensterlosen Straßenseite, so dass sich das Untergeschoss keinesfalls wie ein Keller anfühlt. Dennoch ist im Grunde alles im Haus auf die Wasserseite ausgerichtet.

Entgegen allen typologischen Konventionen liegt im Untergeschoss das Badezimmer an der Glasfront und bietet Aussicht auf Garten und See. Im Obergeschoss befindet sich dort eine große Wohnküche, die auf drei Seiten verglast ist und damit eine wahrhaft beeindruckende Panoramaaussicht über den See bietet. Hinter der Glasfassade steht die auf Fotos beinahe unsichtbare, rahmenlose Innenfassade. Der 60 Zentimeter breite, korridorförmige Luftraum der beiden Glasschichten dient als Klimapuffer und Windfang, denn in den Niederlanden kommt der Wind meist aus Südwesten, und über dem Veerse Meer weht nicht selten eine steife Brise.

So offen und lichtdurchflutet sie im Inneren wirken mag, präsentiert sich die Villa zur Straße hin als völlig abstraktes, beinahe hermetisches Klinkervolumen. Weder ein Dachrand noch Dehnungsfugen stören das Bild. Eine Betontreppe führt zur schwarzen Eingangstür, die wie aus dem Volumen herausgeschnitten wirkt – sonst gibt es keine nennenswerten Öffnungen. Nur in der Nordostfassade, die an der Straße liegt, finden sich drei schmale vertikale Schlitze. Die Klinkerfassade aus Röbenklinkern FARO schwarz-nuanciert mit innenliegenden Stahlbetonwänden ist im Läuferverband gemauert und schwarz gefugt. Dabei wurde die Technik des Fugenglattstrichs angewendet, bei der der Mauermörtel gleichzeitig auch Fugenmörtel ist, und durch das Glattstreichen mit dem Fugholz eine leicht abgerundete, tief liegende Fuge erzeugt. So ist ein – von der Straße betrachtet – tiefschwarzes, monolithisches Volumen entstanden, inspiriert von den farbigen Nuancen einer dunklen Baumrinde.

Einen Kontrast zu dieser schwarzen Strenge bilden die gerundeten Ecken des Gebäudes. Die Klinkerwand legt sich um die Rundungen und geht in die laibungslosen Glasfronten mit ihren minimal bemessenen Aluminiumrahmen über. Runde Ecken sind eher untypisch für die Architektur von Jacq. de Brouwer und wirken im Zusammenhang seines puristischen Werks beinahe manieriert; der Architekt will sie als Verweis auf den Vorgängerbau verstanden wissen. Sie verstärken aber auch den Eindruck, dass die Klinkerwand sich wie ein schützender Mantel um den gläsernen Bau legt, und tatsächlich schützt sie die Bewohner vor neugierigen Blicken und hält der exponierten Wohnatmosphäre auf der gläsernen Wasserseite einen geborgenen Rückzugsbereich entgegen.

 „Das Werk von de Brouwer steht außerhalb der Hauptströmung der niederländischen Architektur, die der Produktion verführerischer Bilder übermäßig viel Aufmerksamkeit widmet“, schrieb der Kritiker Hans Ibelings in seiner Monographie über Jacq. de Brouwer. Damit hat er sicher recht, wenngleich die Villa in Kamperland durchaus auch verführerische Bilder produziert. Nur tut sie das auf die unaufgeregte, beinahe zeitlose Weise, die für Bedaux de Brouwer charakteristisch ist. Wenn ein gutes Einfamilienhaus mit einem Maßanzug für die Bedürfnisse der Bewohner verglichen wird, so ist dieses Haus vor allem seinem landschaftlichen Kontext auf den Leib geschneidert – vermutlich auch, weil es als Wochenendhaus dient und deshalb frei von Zwängen des alltäglichen Gebrauchs ist.

 

Text: Anneke Bokern/Röben-Bauwelt Special
Fotos: Luuk Kramer / Frank Peterschröder

 

Ort: Kamperland
Bauherr: Privat
Architekt: Jacq. de Brouwer
Wohnfläche: 360 m²
Anzahl Räume: 10
Anzahl Geschosse: 2

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