Rund 180° - Wohn- und Geschäftshaus in Lüttich (BE)
Foto © Olivier Fourneau Architectes/Caroline DethierMit dem weiß verklinkerten Wohn- und Geschäftshaus „Nagelmackers“ ist dem Büro Olivier Fourneau Architectes eine deutliche Aufwertung der Gebäude-Silhouette am Lütticher Maasufer gelungen. Röben Klinker: OSLO perlweiß, glatt.
Die rund 190.000 Einwohner zählende belgische Stadt Lüttich wird vor allem durch ihr historisches Zentrum und ihre landschaftlich reizvolle Lage am Ufer der Maas und am nördlichen Rand der Ardennen geprägt. Am nordöstlichen Rand der Innenstadt und unmittelbar am Fluss ist jetzt ein ungewöhnlich gestaltetes Wohn- und Geschäftshaus fertiggestellt worden. Der nach Plänen von Olivier Fourneau Architectes errichtete Neubau integriert auf sechs Ebenen und einem Staffelgeschoss neun luftig geschnittene Wohnungen. Im doppelgeschossigen Sockel wurden Büro- und Geschäftsflächen geschaffen.
Charakteristisch für den strahlend-weiß verklinkerten Neubau ist die oberhalb des stahlverkleideten Sockels deutlich vorkragende, dabei viertelkreisförmig geschwungene Stirnseite in Richtung Wasser. Betont wird die ungewöhnliche Gebäudefigur durch die markant gesetzten, unterschiedlich großen Öffnungen und die zurückliegend integrierten Loggien, die den Bewohnern des Neubaus eine schöne Aussicht aufs Wasser ermöglichen. Entlang der Rue Nagelmackers mündet die gerundete Fassade in einer horizontal ausgerichteten Ansicht mit betont massiven vorkragenden Balkonen in Richtung Südwesten. Zusätzliche Fläche schafft das im Übergang zwischen beiden Bereichen aufsteigende, von Süden her als Turm erscheinende Staffelgeschoss mit seiner doppelgeschossigen Maisonette-Wohnung.
Hohe städtebauliche Qualität
Trotz seiner individuellen Ästhetik erscheint der Neubau keineswegs als Solitär, sondern überzeugt auch durch eine hohe städtebauliche Qualität: „Das umgebende Quartier Cathédrale-Nord leidet seit Jahren unter zunehmendem Verfall und Leerstand“, beschreibt Architekt Olivier Fourneau den Hintergrund. „Hinzu kommt, dass die Uferpromenaden hier in Lüttich seit den 1960er-Jahren immer mehr durch großformatige Neubauten mit seelenlos-anonymer Architektur bebaut worden sind. Lediglich hier an der Brücke Pont des Arches, zwischen dem neugotischen alten Postamt und dem neoklassizistischen Gebäude am Kreisverkehr zur Straße La Batte, ist die alte kleinteilige Architektur erhalten geblieben.“
Um die vorhandene Qualität des Standortes zu stärken und gleichzeitig zur Revitalisierung des Viertels beizutragen, hatte sich die Stadt Lüttich als Eigentümerin des Grundstückes für eine maßvolle Bebauung mit attraktiven Wohnungen sowie ergänzend Büro- und Gewerbeflächen ausgesprochen. Parallel dazu sollte das Projekt als Auftakt für eine Reihe weiterer Entwicklungen des Quartiers dienen. Mit der Umsetzung war dann 2015 das Büro von Olivier Fourneau beauftragt worden. Ausgehend von den Vorgaben der Stadt ist dem Architekten ein außergewöhnlicher Spagat zwischen zeitgemäßer Intervention und zurückhaltender Integration gelungen.
Strahlend-weiße Klinkerfassade
Auch bei der Materialwahl für die Fassade haben sich die Planer konsequent am Bestand orientiert. Die Verwendung von Klinkern stand dabei von Beginn an fest: „Das Material Klinker schafft eine direkte Verbindung zu den in unterschiedlichen Farbtönen verklinkerten Fassaden der denkmalgeschützten Altstadt und entspricht gleichzeitig der Funktion und der Maßstäblichkeit des Projekts“, erklärt Olivier Fourneau. „Und um ganz direkt einen Bezug zu den weiteren Gebäuden innerhalb des Blocks zu schaffen, haben wir uns schließlich für einen sehr hellen Klinker entschieden und den Röben Keramik-Klinker OSLO perlweiß, glatt gewählt.“
Die strahlend-weißen Keramik-Klinker betonen die beinahe abstrakte Plastizität des Baukörpers und harmonieren gleichzeitig mit den wechselweise in Holz oder Aluminium ausgeführten Fensterrahmen sowie mit der hellen Holzverkleidung der beiden Sockelgeschosse. Betont wird der horizontale Charakter der Fassade durch die Wahl des schmalen, nur 52 Millimeter hohen DF-Formats sowie die Ausbildung des Mauerwerks im gleichmäßigen Halbstein-Läuferverband. Darüber hinaus haben sich die Architekten dazu entschieden, einzelne Klinker mit glasierter Oberfläche einzufügen: „Je nach Tageszeit und Lichteinfall ergeben sich damit subtile, kaum wahrnehmbare Reflexionen, die quasi als Echo der Spiegelungen auf dem Wasser der Maas erscheinen“, beschreibt Olivier Fourneau den Effekt.
Drei Fragen an Architekt Olivier Fourneau über die städtebauliche Dimension des Neubaus:
Herr Fourneau, was für eine städtebauliche Idee haben Sie bei der Planung des Projektes verfolgt?
Olivier Fourneau: Um das Projekt optimal in sein Umfeld einzufügen, haben wir eine differenzierte Gestaltung entwickelt, die sensibel zwischen dem dicht bebauten Quartier aus dem 19. Jahrhundert und der großflächigen Architektur am Maasufer vermittelt. Das Projekt schlägt also gewissermaßen eine Brücke zwischen beiden Bereichen.
Einen schönen Kontrast bietet das Zusammenspiel mit der ausdrucksstarken Fassade aus Glas und rotem Klinker des Nachbargebäudes…
OF: Das Haus wurde 1929 durch Clément Pirnay geschaffen. Um einen passenden Anschluss zu erreichen und beiden Gebäuden dennoch ihre Eigenständigkeit zu lassen, haben wir uns für eine kontrastreiche Gestaltung mit hellen Klinkern entschieden. Im Verbund haben wir einen organischen Abschluss des vorhandenen Gebäudeblocks erreicht. Und obwohl wir uns bei der Höhenausbildung bewusst auf den Entwurf von Clément Pirnay bezogen haben, bringt der Neubau seine Eckposition deutlich zum Ausdruck.
Gab es weitere Gründe zur Verwendung der hellen OSLO-Klinker?
OF: Ein wichtiger Bezugspunkt waren die weiß getünchten Fassaden der Lütticher Altstadt aus dem späten 19. Jahrhundert. Durch die Wahl der hellen Klinker schließt unser Neubau direkt an diese Tradition an. Ein ganz entscheidendes Kriterium für die Wahl der OSLO Klinker war außerdem ihre hohe Widerstandsfähigkeit. Denn die Steine aus Westerwalder Ton sind extrem hart gebrannt und sind damit extrem unempfindlich gegen Schmutz. Der helle und freundliche Charakter des Gebäudes wird somit über Jahrzehnte erhalten bleiben.