Amsterdam: Tiefschwarz und lichtdurchflutet
Foto © Röben/Cornelia SuhanEines der ungewöhnlichsten Projekte im neuen Amsterdamer Stadtviertel IJburg ist das durch den vor Ort ansässigen Architekten Marc Koehler für eine dreiköpfige Familie geplante "Haus IJburg" in der Pedro Nunesstraat. Zum Youtube-Interview
Fensterband über die gesamte Außenhülle
Schon aus einiger Entfernung betrachtet sticht der kompakte Flachdachbau aufgrund seiner markanten Formgebung und seiner tiefschwarzen Mauerwerksfassade deutlich aus seiner Umgebung hervor. Ähnlich wie bei den Nachbarhäusern wurden die zur Straße hin einsehbaren Fassaden optisch weitgehend geschlossen ausgebildet. Als wichtigste Öffnung integrierte Architekt Marc Koehler ein durchgehendes, die gesamte Außenhülle strukturierendes Fensterband: Vom Eingangsbereich aus steigt es zunächst vertikal ins erste Obergeschoss auf, um dann horizontal entlang der Nordfassade und weiter über Eck gehend entlang der Westfassade zu verlaufen.
Als weitere Öffnungen finden sich drei schmale Fenster im Erdgeschoss sowie eine von der Straße aus nicht einsehbare große Glasfront zur Dachterrasse in Richtung Süden. Trotz dieses scheinbar verschlossenen Eindrucks bietet das Haus seinen Bewohnern lichtdurchflutete Innenräume. Im Erdgeschoss des Hauses liegen Schlafzimmer, Kinderzimmer, Badezimmer und ein großer Spiel-/Hobbyraum, im ersten Obergeschoss wurden die Funktionen Wohnen, Kochen und Essen sowie eine Terrasse integriert. Auf dem Dach schließt sich ein Dachgarten an.
"Amsterdamer Schule" zitiert
Eine weitere Überraschung hält der Neubau beim Näherkommen bereit. Denn statt die Fassaden in herkömmlicher Weise als plan abschließendes Mauerwerk auszubilden, entschied sich Marc Koehler in enger Abstimmung mit der Bauherrenfamilie dazu, einzelne Steine quer zu setzen und dabei plastisch aus der übrigen Wand hervorstehen zu lassen. Ganz bewusst zitierte der Architekt damit eine Technik der so genannten "Amsterdamer Schule", die von 1912 bis in die 1920er-Jahre hinein mit ihren expressionistisch-skulpturalen Backsteinbauten das Stadtbild von Amsterdam geprägt hat. "Seit den 1950er-Jahren ist diese Mauertechnik durch die zunehmende Tendenz zum standardisierten Bauen jedoch weitgehend verschwunden", so Marc Koehler. Leider, wie man beim Anblick des Hauses in IJburg nur sagen kann. Denn die ungewöhnliche Lösung schafft nicht nur einen intelligenten städtebaulichen Bezug zur Architekturgeschichte der Stadt, sondern betont mit ihrer markanten Textur auch die kraftvolle plastische Ausstrahlung des Neubaus.
Halt für Kiwipflanzen
Darüber hinaus bot die traditionelle Mauertechnik Marc Koehler die Möglichkeit, an mehreren Stellen innerhalb der Fassade Pflanzsteine zu integrieren: "Das unregelmäßige Mauerwerk bietet nämlich einen perfekten Halt für Kletterpflanzen, die sich hier an den Wänden hinaufwinden können", so Marc Koehler. Wie auf der Terrasse im ersten Geschoss und im Dachgarten im zweiten Geschoss haben die Bewohner dort inzwischen Kiwipflanzen, Kletterrosen und Wein angepflanzt. "In einigen Jahren wird das Haus also vollständig begrünt sein, wodurch die streng geometrische Architektur einen spielerischen Akzent und damit quasi einen grünen Gegenpol erhalten wird." Eine Ergänzung zum hohen ökologischen Anspruch, der durch die passive Nutzung von Sonnenenergie, den Einbau einer Wärmepumpe mit Wärmetauscher, die Montage einer Photovoltaikanlage auf dem Dach sowie die Integration eines intelligenten Lüftungssystems realisiert ist.
Klinker widerstehen dem Wurzelwerk
Bei der Wahl eines schwarzen Klinkers entschieden sich die Planer für den Röben Klinker FARO schwarz-nuanciert. "Um den abstrakten Charakter der Architektur zu unterstützen habe ich ganz gezielt nach einem möglichst dunklen Stein gesucht", begründet Marc Koehler die Materialwahl. "Ganz wichtig war außerdem eine hohe Qualität der Steine, damit die Fassaden nicht durch das Wurzelwerk der Pflanzen beschädigt werden." Die intensive Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten führte schließlich zu einem einzigartigen Resultat, auf das die Bewohner und der Architekt gleichermaßen stolz sein können. So wurde das Objekt auch 2008 für den Fritz-Höger-Preis für Backsteinarchitektur nominiert.
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Architekt: Marc Koehler, Amsterdam
Fotos: Cornelia Suhan
Bauzeit: 2006 - 2008
Energiestandard: Energiesparhaus, Wärmerückgewinnung über die Belüftung, Wärmepumpe in Verbindung mit Solar, Warmwasserrückgewinnung im Badezimmer, Regenwassergewinnung im Garten