Moderne neu verpackt – Rathaus in Reinheim
Foto © Röben/Cornelia SuhanMit der Sanierung des Rathauses im hessischen Reinheim zeigen die Verantwortlichen der Stadt und das Kölner Büro gernot schulz : architektur, wie sich ein in die Jahre gekommener Flachdachbau aus den 1970er-Jahren mit gezielten Eingriffen optisch, energetisch und räumlich modernisieren lässt. Klinkerriemchen: AARHUS weißgrau, DF.
Die Architektur der späten Nachkriegsmoderne hat in der Regel kaum eine Lobby. Häufig kommen deshalb energetische Mängel oder Asbestfunde gerade recht, um die Bauten abzubrechen und durch Neubauten zu ersetzen. Das es auch anders geht und dass sich dabei gute und vergleichsweise kostengünstige Lösungen erzielen lassen, beweist die Sanierung des Rathauses in Reinheim bei Darmstadt. Der dreigeschossige Bau war in den frühen 1970er-Jahren im typischen Stil der Zeit als abwechslungsreich gestaffelter Stahlbetonbau mit schmalen Brüstungsbändern aus Backstein sowie mit großzügig geöffneten Glasfronten errichtet worden. Betont wird der luftige Charakter durch das deutlich zurückversetzte des Staffelgeschoss, so dass sich hier eine große Dachterrasse ergeben hat. Straßenseitig wurde außerdem ein vorgelagerter, weitgehend geschlossener Aufzugsturm ergänzt.
Nach rund 45-jähriger Nutzung entsprach der Bau nicht mehr den heutigen Anforderungen an eine moderne Bürgerverwaltung. 2016 hatte die Stadt deshalb einen offenen Wettbewerb ausgeschrieben, der Lösungsvorschläge für eine organisatorische Neuordnung, eine bauliche Erweiterung sowie eine energetische Sanierung des Bestandsgebäudes hervorbringen sollte. Auf Basis dieses Wettbewerbs wurde schließlich das Kölner Büro gernot schulz : architektur mit der Umsetzung beauftragt. Nach dem Entwurf der Planer wurde das Gebäude auf seine bauliche Grundstruktur zurückgeführt und im nordwestlichen Grundstücksteil zweigeschossig erweitert. So konnte eine deutlich luftigere und übersichtlichere Grundrissgestaltung umgesetzt werden, die gemeinsam mit einer rundum überholten Gebäudetechnik einen effizienteren Verwaltungsablauf sowie deutlich niedrigere Energiekosten ermöglicht.
Komplett sanierte Fassade
Als zentraler Baustein des Umbaus erfolgte eine Komplettsanierung der Fassade. Ursprünglich war geplant, die bestehenden Betonbänder energetisch zu ertüchtigten und die neue Fassade darüber aufzubringen: „Aufgrund baulicher Mängel haben wir die Fassade aber unter Beibehaltung des historischen Duktus komplett abgebrochen und als horizontale Lochfensterfassade mit niedrigeren Brüstungshöhen und schlanker proportionierten, deutlich vorkragenden Geschossdecken komplett neu ausformuliert“, berichtet Projektarchitektin Britta van Hüth. Im Bereich der Dachterrasse, über dem Eingang sowie beim Sitzungssaal wurden zusätzlich raumhohe Verglasungen integriert, die schmalen vertikalen Fensterbänder am Aufzugsturm betonen zusätzlich die Vertikalität des Baukörpers. Die Verschattung erfolgt durch ein Kragarmdach entlang der Büroräume sowie durch einen automatisch gesteuerten außenliegenden Sonnenschutz.
Unterstrichen wird der offene Eindruck der Architektur durch die Wahl eines hellen Klinkers mit zurückhaltend hellgrauer Fuge, so dass das Gebäude jetzt einen deutlich freundlicheren und einladenderen Eindruck macht. Nach intensiver Bemusterung wurde entschieden, die Fassade mit dem Röben Klinkerriemchen AARHUS weißgrau im 240 x 115 x 52 Millimeter großen Dünnformat mit einer dahinterliegenden, 16 Zentimeter starken Dämmschicht auszubilden. „Im Verbund mit einer neuen Wärmeschutzverglasung, dem außenliegenden Blendschutz und durchgehender LED-Beleuchtung ist es so gelungen, die Anforderungen des aktuellen EnEV-Standards zu erfüllen“, so Projektleiter Matthias Cremer. Noch gar nicht berücksichtigt ist dabei die eingesparte „graue Energie“, die bei Abbruch und einem anschließenden Neubau des Rathauses aufgewendet worden wäre.
„Mit ihren sanften Grautönen wirkt die Fassade nahbar und warm und erscheint fast schon als Naturstein-Oberfläche, sodass sich das großvolumige Bauwerk wunderbar in die kleinteilige Stadtstruktur integriert und den Maßstabssprung bewältigt“, begründet Britta van Hüth die Materialwahl. Zusammen mit den schlanken Rahmenprofilen und den durchgehend sichtbar gebliebenen Geschossbändern ist ein eleganter Fassadeneindruck entstanden, der ganz selbstverständlich den horizontalen Aufbau des Gebäudes zeigt und damit auch die Qualität des ursprünglichen Entwurfes auf moderne Weise weiterführt.
Planung: gernot schulz : architektur, Köln