Justiz-Zentrum Debrecen (HU): Wie mit der Klinge geschnitten

Foto © Röben

Das Justiz-Zentrum in Debrecen, der zweitgrößten Stadt Ungarns, ist ein außergewöhnliches Gebäude. Es repräsentiert eine neue Ära in der „tausendjährigen Bürgerstadt“, die über viele architektonische Schätze verfügt.

 

Im Inneren verteidigt man die Gesetze des Landes, im Äußeren lässt man den „Gesetzen der Architektur“ freien Lauf. Das „Haus der Gesetze“ ist das Ergebnis eines landesweiten Planungswettbewerbs, der die Bebauung des gesamten Révész-Platz-Blockes mit einem Gebäudekomplex für das Oberlandesgericht, die Berufungsoberstaatsanwaltschaft und das Städtische Gericht vorsieht. Hierbei wurde in der Umgebung der neuen Straßenöffnung die kleinstädtische Bebauung mit den vorhandenen geschlossenen und lückenhaft geschlossenen Reihen auf einem großen Gebiet saniert. Ausschreibungssieger wurde das Architekturbüro „Koller és Társa Tervez Kft.“ aus Pécs.

 

Mit der Klinge geschnitten

Das auffälligste Merkmal des Gebäudes ist die Blockartigkeit. Die Seiten des umfassenden Prismas sehen aus, als ob sie mit einer Klinge herausgeschnitten worden wären. Das Gebäude tritt an keiner Stelle und mit keinerlei Elementen aus den es umgebenden Ebenen heraus; es bleibt unerbittlich innerhalb seiner selbstgesetzten Grenzen. Dieses Prinzip hat die gesamte Planung bis zum Schluss begleitet. Anstatt sich durch Elemente auszubreiten, die auf die Fassade aufgesetzt sind, nimmt sich das Gebäude eher noch etwas zurück. Gerade an der Stelle, wo wir ein in den Raum hinaustretendes hervorgehobenes Element gewohnt sind, wie z. B. einen Eckturm, gähnt ein leerer Raum.

 

Edle Textur, atemberaubendes Farbenspiel

Ebenso ungewöhnlich wie der Gebäudekörper ist die Ziegel-Fassade. Für die Architekten spannt sie sich mit ihren fließenden Linien über die Form des Gebäudes. Ihre besondere Gestaltung zeigt sich besonders aus der Nähe. Nur so lässt sich die edle Textur, das atemberaubende Farbenspiel und die Oberflächenziselierung der Röben Handformziegel vollständig erkennen. Außerdem gewährleistet der rustikale Ziegel durch die im Brennprozess entstehende Farbe und wegen seiner typischen Unebenheit eine außerordentlich plastische, natürlich wirkende Oberfläche.

 

Licht- und Schattenspiel

Die Ziegelverkleidung vermeidet wirklich alle architektonisch wirkenden Mittel. Es werden keine Öffnungsüberbrückungen oder Auspfändungen imitiert. Damit wird das Gefühl des Herausgeschnittenseins aus dem homogenen Block verstärkt. Die sich rhythmisch wiederholenden Wandöffnungen und die oberen Lichtöffnungen führen durch das Spiel mit den Schattenwirkungen zu einer lebhaften Gestaltung der Ziegelflächen. Diese organische Textur wird durch die eingefügten, mal längeren und mal kürzeren roten Kalksteinstreifen in zufälliger Weise aufgeschnitten - auf der matten Masse des Ziegels leuchtet das Licht auf dem polierten Stein. Aus einer gewissen Perspektive gibt das den Fassaden einen kraftvollen horizontalen Zug, der durch die auf der äußeren Ebene senkrecht proportionierten Glasflächen ausgeglichen wird.

 

Das "Röben-Paket"

Ausschlag gebend für die Verwendung von Röben-Produkten war das komplette System – von den Handformverblendern über vorgefertigte Ziegel-Elemente bis hin zu individuellen Formziegeln, wie sie z. B. in die Fensterverkleidung vermauert wurden. Zu einem ganz ungewöhnlichen Gestaltungselement griffen die Architekten im Inneren es Gebäudes. Die Ziegel an den Wänden und Pfeilern im Entree des Oberlandesgerichts wurden auf den Sichtflächen hochkant vermauert, so dass ihre Mörteltaschen sichtbar werden. Dies gibt dem Halbschatten im Innern mehr Wärme.

 

So bietet ein und dasselbe Material viele Gestaltungs- und Interpretationsmöglichkeiten. Ebenso, wie Gesetze viel Spielraum und Betrachtungsmöglichkeiten lassen.

 

 

Planung: Koller és Társa Tervez Kft.